Personal und Innovation - ein Spagat zwischen Tradition und Moderne
Am 20. März 2014 fand an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel die zweite Auflage des 2012 ins Leben gerufenen «StrategyDays» statt: ein Weiterbildungsseminar für Führungsleute in der Holzwirtschaft. Das von der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der Höheren Fachschule Holz Biel und der Höheren Fachschule Bürgenstock konzipierte und organisierte Fachtreffen fokussierte auf zwei für den Erfolg eines Unternehmens zentrale Bereiche: Personalführung und Innovationsbereitschaft.
Katrin Künzi, Berner Fachhochschule
Marc-André Gonin, Vizedirektor der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau, begrüsste die rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem kurzen Rückblick auf die technologische Entwicklung in der Holzbranche in den vergangenen 15 Jahren und die daraus erwachsenen Herausforderungen in Arbeitswelt, Bildung und Forschung. Damit war der Weg geebnet für den ersten Teil der Veranstaltung, deren Referenten sich mit dem Thema «Kapital Mensch» auseinandersetzten.
Download Flyer StrategyDay 2014
Download Bericht Schreinerzeitung 13.02.2014
Bewährte Führungsprinzipien clever ausbauen
Olivier Kubli, Direktor der Haute école de gestion Arc (HEG) in Neuchâtel, konfrontierte klassische Führungsmodelle der heutigen Zeit – etwa nach Douglas McGregor – mit prägnanten Aussagen antik-römischer Fachleute wie Cicero oder Seneca. Kubli ist der Meinung, dass gängige Management-Rezepte allein kein Schlüssel zum Erfolg sind. Wichtig ist es, engagiert, vertrauensvoll und mit Freude seine Leute zu motivieren und Sinn zu vermitteln. Es kann nicht alles standardisiert und gemessen werden; wichtiger ist es Visionen zu entwickeln, zu handeln und zu sprechen. Eine Mischung aus bewährten Praktiken – etwa flexible Arbeitszeiten oder Zielvereinbarungen – und situativem Umgang mit den Mitarbeitenden ist sein Credo. Anstelle von formalisierten Mitarbeitendengesprächen zieht er den kontinuierlichen Kontakt und einen laufenden kommunikativen Austausch mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor.
Christliche Werte im Unternehmen leben
Vertrauen, Respekt und Dankbarkeit sind die Werte, nach denen in der heute 130-jährigen Firma Victorinox Mitarbeitende rekrutiert und geführt werden. Robert Heinzer, der Leiter Human Resources & Organisation des weltweit tätigen Unternehmens vermittelte den Fachleuten aus der Holzbranche Einblicke in die lange Erfolgsgeschichte dieses typisch schweizerischen Familienbetriebs. Seit 2006 wird die Firma von Carl Elsener IV geleitet. Wie seine Vorgänger, Carl Elsener III. und II. orientiert sich auch der heutige Chef an den Werten der Unternehmenskultur, die Karl Elsener I. 1884 begründet hatte. Der rote Faden des «Code of Conduct» von Victorinox sind detaillierte, stärkenorientierte Mitarbeitergespräche mit «Respect-Fokus». In allen Ländern, in denen Victorinox tätig ist – USA, Kanada, Japan, Brasilien, China, Hongkong, Mexiko – werden regelmässig Workshops durchgeführt, um die Mitarbeitenden auf ihre Aufgaben vorzubereiten und sie zu begleiten. In der Mitarbeitenden-Politik von Victorinox spielt die Integration junger Menschen und Behinderter eine wichtige Rolle. Auch die Förderung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Heinzer wichtig. So erzählte er etwa die Geschichte einer Mitarbeiterin, die noch am Tag vor ihrer Pensionierung den letzten Sprach-Weiterbildungskurs besuchte.
Berufsbilder müssen Entwicklung im Holzbau folgen
Hans Rupli, Zentralpräsident des Verbands Holzbau Schweiz, erläuterte die Bedeutung der Entwicklung der Mitarbeitenden vor dem Hintergrund der technischen und technologischen Entwicklung der Holzbranche. Die aktuellen Herausforderungen in der Klima- und Energiepolitik sowie in der Raumplanung werden seiner Meinung nach zu einem Paradigmenwechsel führen mit gravierenden Folgen im Wettbewerb: Der Holzbau-Systemanbieter wird vermehrt zum Planungsdienstleister werden; an die Stelle linearer Planungs- und Ausführungswettbewerbe treten kooperative Planungsmodelle; der Lebenszyklus von Gebäuden wird immer wichtiger. Angesichts des hinlänglich bekannten Fachkräftemangels erfordern diese Verschiebungen ein marktorientiertes Anpassen der Berufsbilder in der breit gefächerten Bildungs- und Weiterbildungslandschaft der Holzbranche. Es braucht nach Rupli in Zukunft Fachleute mit speziellen Kompetenzen in den vier Bereichen Handwerk, Technologie, Architektur und Nachhaltigkeit.
Das Kloster als KMU zwischen Geist und Geld
Mühelos gelang Christian Meyer, Abt am Benediktinerkloster Engelberg, der Brückenschlag von der klösterlichen Welt in die Realität der Seminarteilnehmenden. Die Kernbestimmung eines Benediktinerklosters, nämlich das klösterliche Leben in den Dienst der Suche nach Gott zu stellen, ist von vielen handfesten und praktischen Faktoren begleitet. Anders als andere Kongregationen sind die weltweit 350 Benediktinerklöster wirtschaftlich eigenständige Unternehmen ohne Unterstützung aus den Kirchensteuern oder einem anderen Fördertopf. Die heute 120 Mitarbeitenden des seit 1120 als Familienunternehmung geführten Klosters in Engelberg müssen also die Schreinerei, Schlosserei, Gärtnerei, den Blumenladen, das Kraftwerk Tagenstal, die Restaurationsarbeiten und die Schaukäserei nach ökonomischen Kriterien betreiben. Mit zuweilen humorvollen Kommentaren stellte Abt Christian dem Publikum die Leitplanken des benediktinischen Klosterlebens vor: die berühmte Regel, die der Heilige Benedikt von Nursia 543 im Kloster Montecassino verfasste. Im Kapitel 32 beschreibt Benedikt zum Beispiel die Rolle des Cellerars, der die wirtschaftliche Verantwortung für die heiligen Geräte hat. Gestern der Altar, heute der Computer; dort die Mönche und Nonnen, hier die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Stets geht es darum, sorgfältig und massvoll mit Dingen und Menschen umzugehen, um Frust und Burnout vorzubeugen und Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft zu sichern.
Erfolgreich am Markt – «Best Practice»
Unter diesem Motto standen die Referate des Nachmittagsprogramms. Peter Röthlisberger, CEO der Röthlisberger Schreinerei AG, sprach über die Chancen von KMU, sich in Nischenbereichen zu profilieren. Wolf Deiss, Geschäftsführer von Artis GmbH, beantwortete Fragen zur Zukunft der Mehrachsbearbeitung von Holzwerkstoffen und Kunststoffen. Martin Antemann, Bereichsleiter Verkauf Free Forms bei Blumer Lehmann AG kreiste mit seinem Input um die Möglichkeiten der Verknüpfung traditioneller handwerklicher Techniken mit dem heutigen digitalen Handwerk.
Die drei letzten Referate schlugen den Bogen von der Praxis im Betrieb zurück zur Bildung und Weiterbildung. Christoph Rellstab, Leiter Höhere Fachschule Holz Biel und sein Pendant Bruno Krucker von der Höheren Fachschule Bürgenstock, fokussierten ihre Ausführungen auf die Bedeutung der Weiterbildung im KMU. Ihre Kernbotschaft: In der Bereitschaft der Unternehmen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Weiterbildung als strategisches Instrument zur Verfügung zu stellen, liegt der Kern für den Erfolg der Firma. Mehr dazu unter www.branchendemografie.ch, der soeben erschienenen Studie der Sozialpartner im Schreinergewerbe.
Mögliche Ansätze gegen den Fachkräftemangel
Rellstab sprach unter anderen ein Thema an, das den Holzbau mit anderen technischen Branchen heute besonders beschäftigt: den Fachkräftemangel. Als dringliche Handlungsschritte schlug er individuelle Karriereplanungen und Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Dass die Frauen im Holzbau – vor allem in den Führungsetagen – nach wie vor weitgehend fehlen, zeigte sich gerade auch an dieser Weiterbildungstagung: keine einzige Frau unter den Referierenden; unter den rund 70 Teilnehmenden nur eine Handvoll Damen. Dies muss sich nach Rellstab in Zukunft ändern. Die Branche braucht mehr weibliche Fachleute. Umso mehr noch, als sich – wie dies bereits Hans Rupli ausgeführt hatte – die Herausforderungen in den Bereichen Gesamtplanung oder auch in Teilbereichen wie etwa Fenster- und Küchenbau stark entwickeln und gegenüber dem «alten» Image der Holzberufe als naturgegeben männlichen Domänen neue Welten öffnen. Mit konsequenter Frauenförderung von der Schülerin bis zur Quereinsteigerin muss ein Teil des spürbaren Fachkräftemangels im Holz gesichert werden.
In gewohnt engagierter Weise setzte der ehemalige Preisüberwacher und Alt-Nationalrat Rudolf Strahm mit einem Feuerwerk an handfesten Fakten und Zahlen zum Wert der Berufsbildung in Europa den Schlusspunkt zur Veranstaltung. Eine seiner Botschaften war: Die zahlreichen Vorteile der Berufsbildung müssen noch besser kommuniziert werden; es gibt noch zu viele Eltern oder sogar Lehrpersonen, die nicht wissen, dass heute das Bildungssystem von der Berufslehre bis zur Fachhochschule oder Hochschule durchlässig ist.
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